Berlin. Nach acht Jahren als „Tatort“-Kommissarin geht Franziska Weisz neue Wege. Doch beim Dreh für eine Nebenrolle stößt sie an ihre Grenzen.

Schauspielerin Franziska Weisz schlägt neue Wege ein: In dem von Theodor Storms „Schimmelreiter“ inspirierten Mystery-Drama „Die Flut – Tod am Deich“ (27. April, 20.15 Uhr, ARD) spielt Weisz zwar nur eine Nebenrolle – aber die hat es in sich. Im Gespräch erzählt die 43-jährige Schauspielerin, die in den vergangenen Jahren vor allem als Kommissarin des Norddeutschland-„Tatorts“ bekannt war, wie sie beim Dreh an ihre Grenzen stieß, wie sie generell mit Versagen umgeht und welche früheren Fehlentscheidungen sie heute noch verfolgen.

Für „Die Flut – Tod am Deich“ drehten Sie Unterwasseraufnahmen. Wie schwer war das?

Franziska Weisz: Eigentlich ist Tauchen überhaupt nicht mein Ding. Aber dann habe ich das Probetauchen so sehr genossen, dass ich mir für den Dreh keine Sorgen machte. Deshalb war ich am Drehtag überambitioniert, saß sehr früh und lange in dem Wasserbecken, bis es endlich losging.

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Und dann?

Weisz: Als wir endlich anfingen, war ich total unterkühlt und meine Nerven spielten mir einen Streich. Das heißt, der Körper machte nicht mehr mit. Mein Kopf sagte mir zwar: „Es ist alles gut, du hast zwei Security-Taucher neben dir.“ Aber die Angstinstinkte waren viel größer, und ich konnte nicht mehr.

Franziska Weisz: „Hatte wahnsinnig schlechtes Gewissen“

Hatten Sie schon mal so etwas erlebt?

Weisz: In meiner Jugend bin ich mit meinen Freunden wahnsinnig gerne klettern gegangen und war auch immer supermutig. In der Nähe von Wien gibt es einen Berg namens Hohe Wand, aber auf einmal hatte ich eine Komplettblockade. Ich konnte weder vor noch zurück. 20 Jahre später habe ich dann wieder mit dem Klettern angefangen und bin nochmal zur Hohen Wand. Und an einer anderen Stelle konnte ich wieder nicht weiter. Es war völlig irrational. Irgendwann möchte ich das schon noch schaffen. Das gebietet mir mein Ehrgeiz.

Franziska Weisz in dem Nordsee-Drama „Die Flut – Tod am Deich“. Eine Arbeit, die sie Kraft kostete.
Franziska Weisz in dem Nordsee-Drama „Die Flut – Tod am Deich“. Eine Arbeit, die sie Kraft kostete. © Nordfilm GmbH/Christi | ARD Degeto

Aber wie fühlt man sich, wenn man bei einem Dreh so ein Erlebnis hat?

Weisz: Ich hatte ein wahnsinnig schlechtes Gewissen – so nach dem Motto: „Alle waren da, aber ich habe versagt.“ Das hat mich total gewurmt. Ich habe erst dann meinen Frieden damit gemacht, als ich den fertigen Film gesehen habe. Denn zum Glück war die Szene im Kasten. Ich hätte es mir nicht verziehen, wenn wir das nicht hätten filmen können. Aber ich will auf jeden Fall noch einmal unter Wasser drehen.

Wie kommen Sie generell mit Versagensmomenten klar?

Weisz: Ich werde entspannter. Leider gibt es bei Film und Fernsehen manchmal nicht die Zeit, eine Szene so zu drehen, wie man will. Denn die Budgets werden immer kleiner. Die Uhr tickt. Und dann geht man unbefriedigt vom Set. Und wenn ich ein Casting vergeige und eine Rolle nicht bekomme, dann ärgere ich mich, wenn ich das Gefühl habe, nicht alles gegeben zu haben. Doch wenn ich mein Bestes gezeigt habe, dann weiß ich: Es lag nicht in meiner Macht.

Ex-„Tatort“-Kommissarin: „Beim Film kann man viel schummeln“

Merken die Zuschauer eigentlich, wenn Sie in einer Szene nicht alles geben?

Weisz: Ich spiele sehr von innen heraus. Das heißt, ich will speziell emotionale Szenen auch in mir selbst spüren. Wenn das mal nicht der Fall ist, spiele ich sie einfach. Da fühle ich mich, als hätte ich betrogen. Aber die anderen sagen dann: „Es war mega.“ Eine Maskenbildnerin meinte einmal zu mir: „Da kommt sowieso Musik drüber.“

Sie könnten natürlich auch Theater spielen, wo man nicht so einfach „betrügen“ kann.

Weisz: Das würde ich gerne öfter machen. Bislang hatte ich nur einzelne Stückverträge und das fand ich eine sehr schöne Herausforderung. Ich habe ja keine Schauspielausbildung, sondern bin Autodidakt, und beim Film kann man eben viel schummeln. Ich war dann von der Echtheit meines Spiels selbst überrascht. Es ist möglich, dass jeden Abend an derselben Stelle die Tränen fließen. Es war für mich total wichtig, auf der Bühne zu stehen und emotionale Reaktionen zu bekommen.

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Männer können ja recht verbohrt sein, wie man auch in „Die Flut“ sieht. Tun sich Frauen leichter, Versagen einzugestehen?

Weisz: Das kann man nicht generell sagen. Aber Frauen haben viel früher in der Öffentlichkeit die Erlaubnis bekommen, zu weinen und sich zu Fehlern zu bekennen. Das ändert sich jetzt. So ist es nun auch für Männer okay, zum Therapeuten zu gehen. Und es ist wichtig, dass Männer emotional aufmachen dürfen. Denn ansonsten ist das eine große Bürde. Wobei für mich ein anderes Thema im Zentrum der Geschichte steht: Nämlich, dass Menschen, die verletzt wurden, diese Verletzungen an andere weitergeben. Denn aus Schmerz entsteht Hass.

Haben Sie ein küchenpsychologisches Rezept, wie man mit Verletzungen umgehen soll?

Weisz: Es klingt banal, aber es ist sehr effektiv – egal ob das tiefschürfende oder oberflächliche Erfahrungen sind: Man muss sich vor Augen halten, dass andere Menschen die gleiche Erfahrung gemacht haben wie man selbst. Wenn man sich mit anderen austauscht, erfährt man oft: Das habe ich auch schon erlebt. Und diese Erkenntnis hilft. Außerdem soll man mit sich selbst milde sein und sich eigene Fehler verzeihen.

„Die Flut – Tod am Deich“ erzählt in Anlehnung an Theodor Storms „Der Schimmelreiter“ von einer Schicksalsgemeinschaft an der friesischen Nordseeküste.
„Die Flut – Tod am Deich“ erzählt in Anlehnung an Theodor Storms „Der Schimmelreiter“ von einer Schicksalsgemeinschaft an der friesischen Nordseeküste. © Nordfilm GmbH/Christi | ARD Degeto

Gibt es Fehler, die Sie sich trotzdem nicht verzeihen können?

Weisz: „Fehler“ ist zu hoch gegriffen, aber es gibt Versäumnisse, die mich ein bisschen verfolgen. Zum Beispiel, dass ich in den Anfangsjahren meiner Karriere bestimmte Chancen nicht genutzt habe – einfach aus Unwissenheit. Damals war ich eben jung und unbedarft. Man bereut die Dinge, die man nicht getan hat. Da gibt es schon ein paar, die immer wieder auftauchen. Darunter ist allerdings nichts, was mir den Schlaf raubt. Mit dem Wissen von heute würde ich manche Dinge anders machen, aber letztlich bin ich total zufrieden, so wie es ist.

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Ihren Ausstieg beim „Tatort“ bereuen Sie jedenfalls nicht?

Weisz: Nein. Ich war gerne „Tatort“-Kommissarin, und es war für mich eine Freude und Ehre, das zu machen. Ich finde es schön, dass man diese Rolle noch mit mir verbindet. Ich mag das Format nach wie vor. Aber es war schon richtig. Es ist ja auch nicht so, dass ich von Anfang an ausschließlich „Tatort“ gedreht habe und nur damit identifiziert wurde.