Hamburg . In keinem Bundesland ist der Berg unerledigter Strafverfahren so gewachsen in Hamburg. Was der Richterbund nun fordert.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg schiebt einen immer größeren Aktenberg vor sich her. Ende vergangenen Jahres lagen bei ihr 39.000 offene Ermittlungsverfahren auf dem Tisch, wie aus einer Umfrage der vom Deutschen Richterbund herausgegebenen „Deutschen Richterzeitung“ bei den Justizverwaltungen der Länder hervorgeht. Im Vergleich zum Jahr 2021 sei das ein Plus von rund 70 Prozent und der höchste Anstieg in ganz Deutschland. Damals gab es den Angaben zufolge noch 22.900 offene Strafverfahren gegen namentlich bekannte Beschuldigte, 2022 waren es schon 30.800.

Den zweithöchsten Anstieg in Deutschland verzeichneten demnach Bremen mit 51 Prozent sowie Sachsen mit 30 Prozent. Nur Sachsen-Anhalt meldete einen Rückgang offener Strafverfahren. Dort sank die Zahl von 22.111 im Jahr 2021 um etwa acht Prozent auf 20.351 im vergangenen Jahr. Grund hierfür sei aber ein Sondereffekt, als im vergangenen Jahr ein Ermittlungskomplex mit Tausenden Betrugsfällen en bloc abgeschlossenen worden sei. Bundesweit sei die Zahl unerledigter Verfahren zwischen 2021 und 2023 um etwa 25 Prozent von 727.021 auf 906.536 gestiegen.

Staatsanwaltschaft Hamburg: Zahl der offenen Verfahren steigt rasant

Neben den unerledigten Fällen bedrückt die Staatsanwaltschaften auch die immer höhere Zahl neuer Verfahren. Gingen bei den Hamburger Anklägern im Jahr 2021 noch 147.800 neue Fälle ein, waren es im vergangenen Jahr schon 178.500, was einem Anstieg von rund 20 Prozent entspricht. Damit liege die Hansestadt im prozentualen Bundesvergleich knapp hinter dem Saarland auf Platz zwei, gefolgt von Baden-Württemberg. Den geringsten prozentualen Anstieg mit knapp sieben Prozent verzeichnete Bayern. Bundesweit sei die Zahl neuer Strafverfahren um fast 14,5 Prozent auf ein Rekordhoch von knapp 5,4 Millionen gestiegen.

„Treiber der Entwicklung sind zum Beispiel vermehrte Straftaten nach dem Aufenthaltsgesetz, deutlich mehr Fälle im Bereich der Kinderpornografie, mehr Verfahren wegen Hass und Hetze im Netz sowie Strafverschärfungen gegen Geldwäsche und Finanzkriminalität“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn. Gleichzeitig fehlten nach den offiziellen Personalschlüsseln der Länder in Staatsanwaltschaften und Strafgerichten mehr als 1500 Juristinnen und Juristen, wobei bis 2030 auch noch eine große Pensionierungswelle auf die Justiz zurolle. Rebehn warnte: „Eine Justiz nach Kassenlage, die Strafgesetze am Ende nur noch selektiv durchsetzen kann, demotiviert die Ermittler und beschädigt das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat.“