Berlin. Junge Frauen inszenieren sich auf Social Media als traditionelle Ehe- und Hausfrauen. Was den „Tradwife“-Trend so gefährlich macht.

Als Sarah Mohnheim (Name von der Redaktion geändert) ans Telefon geht, ist es früher Vormittag. Es ist die Zeit des Tages, in der die Hausfrau und Mutter am ehesten ein paar Minuten Zeit findet – zum Beispiel für ein Interview mit unserer Redaktion. Danach muss sie putzen, Kuchen backen, ihre Tochter betreuen, Wäsche waschen, das Essen vorbereiten, die Brotdose ihres Mannes packen und so weiter. Sarah Mohnheim bezeichnet sich selbst als „Tradwife“.

Der Ausdruck leitet sich von den Worten „traditional wife“, traditionelle Ehefrau, ab. Unter dem Hashtag #tradwife tummeln sich zahlreiche Postings auf Instagram, Tiktok und Co. von – oftmals jungen – Frauen im Kleid mit Schürze, die sich für eine traditionelle Rollenverteilung innerhalb ihrer Ehe entschieden haben. Sie ordnen sich ihrem Ehemann unter, kochen für ihn und geben Ehetipps wie: „Sprühe noch einmal Parfüm auf, bevor dein Mann nach Hause kommt.“

Influencerin polarisiert mit veralteten Rollenbildern

Unter dem Namen „Tradwifefactory“ lässt auch Sarah Mohnheim ihre rund 15.000 Follower an ihrem Leben als Tradwife teilhaben – allerdings ohne ihren Namen zu verraten oder ihr Gesicht zu zeigen. Zu groß sei der Hass, der sie täglich in Form von Nachrichten erreiche. Auch Bedrohungen sei sie immer wieder ausgesetzt, sagt die Influencerin.

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Tatsächlich polarisiert Sarah mit ihren kurzen Videos, die Titel tragen wie: „Wenn mein Mann nein sagt, heißt es auch nein“, „Benimm dich wie eine Dame, kleide dich wie eine Dame und du wirst wie eine behandelt werden“, oder: „Hübsch dich für deinen Mann auf, wenn er nach Hause kommt“.

Doch wie kommt eine junge Frau dazu, jeglicher Gleichstellung den Rücken zu kehren? Schließlich hatte Sarah bereits mit 24 Jahren eine leitende Position in einer Kindertageseinrichtung. Die Hausarbeit teilte sie sich da noch mit ihrem Ehemann – was immer wieder zu Konflikten innerhalb der Beziehung geführt habe.

Der Mann entscheidet – für Tradwife Sarah selbstverständlich

Mit der Geburt ihrer Tochter habe sich das geändert: „Ich habe dann jegliche Hausarbeit übernommen, weil ich sowieso zu Hause war und die Zeit hatte. Und ich glaube auch, es ist sehr normal, dass sich traditionelle Rollenbilder einschleichen, wenn man Eltern wird“, erklärt die Influencerin.

Sie habe die Rolle der Hausfrau, Ehefrau und Mutter als „unheimlich toll“ empfunden – aber auch als sehr intensiv: „Care-Arbeit ist ein Job. Es ist anstrengend, es ist zeitaufwendig“, so Mohnheim. Nach einiger Zeit habe sie sich dann gegen die Doppelbelastung entschieden – und für die Rolle der Tradwife.

Mehr dazu: Studie – Frauen arbeiten 72 Milliarden Stunden unbezahlt

Auf Instagram erklärt die 31-Jährige nun also, warum lieber Mütter als Väter zu Hause bleiben sollten, wieso sie bei politischen Wahlen genauso wählt wie ihr Mann und seine Interessen zu ihren eigenen werden lässt und wie sie die Wohnung vorbereitet, damit er gern von der Arbeit nach Hause zurückkehrt.

Expertin warnt vor „politischer Indoktrinierung“

In den Kommentaren hagelt es neben Zuspruch für ihre konservativen Werte auch scharfe Kritik. „Das Propagieren dieses weiblichen Rollenbildes befeuert den aktuellen Rechtsruck in Deutschland. Ich muss hier an die Gegenüberstellung einer ‚modernen, befreiten Feministin‘ gegenüber der ‚traditionellen Frau‘ der AfD Sachsen denken“, schreibt eine Userin.

Diesen Eindruck bestätigt Margreth Lünenborg. Die Professorin für Kommunikationswissenschaft betrachtet Tradwife-Videos als politische Indoktrinierung. „Hinter diesen Videos verbirgt sich eine klare, strategische Kommunikation der Rechten“, sagt die Expertin. Noch weitaus verbreiteter als in Deutschland seien diese Mechanismen in den USA.

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Ein Beispiel ist die US-Amerikanerin Estee Williams, der auf Instagram 120.000 Menschen folgen. Die junge Frau präsentiert in den sozialen Medien ein Leben wie aus den 50er-Jahren – inklusive Föhnfrisur und rosa Schürzen. In Videos erklärt sie, wie auch andere Frauen zu Tradwives werden können. Unter anderem, indem sie sich auf die „gottgegebenen zwei Geschlechter“ besinnen und ihre Weiblichkeit annehmen.

Auch die 50er-Jahre-Inszenierungen sind laut Forscherin Margreth Lünenborg Teil eines Mechanismus – und höchst diskriminierend: „In einer Welt, die sich seit diesen Jahrzehnten fundamental verändert hat, bedeutet ein ‚Zurückdrehen der Zeit‘ eben auch radikale Ausgrenzungsprozesse“, so die Forscherin.

Social-Media-Trend besonders für junge Menschen gefährlich

Ein genauer Blick auf das Phänomen Tradwives offenbare laut Lünenborg daher auch rassistische Diskurse, die auf der sogenannten White Supremacy (übersetzt: Vorherrschaft der Weißen) gründen. „Diese Diskurse kommunizieren nicht nur irgendwelche 50er-Jahre-Hausfrauentipps: Da werden fundamentale Veränderungen von Gesellschaftsverhältnissen gewünscht, die in Form der Inszenierung des ‚gemütlichen Zuhauses‘ kommuniziert werden“, sagt die Expertin und verweist dabei auch auf erfolgreiche Social-Media-Strategien der AfD.

Der Tradwife-Trend spreche besonders junge Menschen an, und das mache ihn so gefährlich, sagt Expertin Lünenborg. Die Kritik weist Tradwife Sarah Mohnheim von sich: „Für mich persönlich ist das nicht nachvollziehbar, da ich solche (Anm. d. Red.: rechtsextreme) Ansichten nicht vertrete“, sagt die 31-Jährige.

Angst um ihre Zukunft hat Mohnheim nach eigener Aussage übrigens nicht. Die Eigentumswohnung laufe auf ihren Namen – das sei ihrem Mann wichtig gewesen –, außerdem investiere das Paar in eine private Altersvorsorge. Und dann gibt es da ja noch eine Möglichkeit für den Fall der Fälle: „Wenn er sich wirklich mal von mir trennen sollte, gehe ich halt wieder arbeiten“, sagt Sarah Mohnheim trocken – und beginnt mit den Erledigungen des Tages.