Harburg. Electrum präsentiert Sammelsurium schräger Elektro-Geräte und feiert am heutigen Sonntag 100 Jahre Radio in Hamburg – mit einem Konzert.

  • Das Harburger electrum ist ein außergewöhnliches Museum – es ist winzig klein und doch voller erstaunlicher Entdeckungen
  • Am heutigen Sonntag, 5. Mai, lädt das Museum zu einem Konzert, um 100 Jahre Radio in Hamburg zu feiern
  • Los geht es um 16 Uhr mit dem Radio Play Orchestra an der Harburger Schloßstraße 1

Heute ist es nahezu undenkbar, ohne Strom zu leben. Für fast alle Lebenslagen gibt es hilfreiche elektrische Geräte. Die Karriere der Elektrogeräte begann bald nach 1881, als Strom erstmals über längere Strecken transportiert werden konnte. Im Laufe der Zeit entstanden viele skurrile Gerätschaften, vom Fingerföhn über Elektrisiergeräte mit abenteuerlicher Heilkraft bis zu Bügeleisen für Schlipse. Im electrum Hamburg, dem Museum der Elektrizität sind solche Raritäten immer sonntags zu bestaunen.

Harburgs skurrilstes Museum: Das electrum lohnt immer einen Besuch

Der 1935 gebaute Hochfrequenz-Apparat „Helio-Lux“ war eine wahre Wundermaschine. Uwe Mundry, einer von acht zum Kernteam gehörenden ehrenamtlichen Mitarbeitern des Museums, setzt sie in Betrieb und hält eine leicht leuchtende, knatternde Elektrode an seine Hand. Die flach aufsetzende Form eignet sich angeblich zur Behandlung verschiedener Hauterkrankungen – immerhin sorgt die Vibration für gute Durchblutung.

Andere Elektroden sollten gegen Rheuma, Magen-, Hals- und Kehlkopfleiden helfen, Warzen, Hämorrhoiden oder Tätowierungen entfernen. „Die in die Körperhöhlen einzuführenden Elektroden Nummer 20-30 sind vorher mit Vaseline einzufetten“, steht in der Gebrauchsanleitung, und man möchte sich ihre Anwendung nicht ausmalen.

In den 1930er Jahren schrieb man der Elektrizität heilende Wirkungen zu. Mit dem „Helio-Lux“ wurden Körperteile mit gläsernen Elektroden elektrisiert, wie hier von Uwe Mundry vorgeführt.
In den 1930er Jahren schrieb man der Elektrizität heilende Wirkungen zu. Mit dem „Helio-Lux“ wurden Körperteile mit gläsernen Elektroden elektrisiert, wie hier von Uwe Mundry vorgeführt. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Hölzerne Waschmaschine und ein Bügeleisen für Schlipse

Manches Gerät war von ungeheurem praktischen Nutzen, wie die hölzerne Waschmaschine „Miele extra Luxus“, Baujahr 1912. Zwar musste vor dem Waschtag die Wäsche weiterhin über Nacht eingeweicht und am Morgen gekocht werden, doch das kraftraubende Rubbeln und Kneten der Wäsche auf dem Waschbrett übernahm nun die Maschine.

Der „Luxus“ dieser Miele-Variante bestand darin, dass man nach dem Ausspülen die Wäsche durch eine vom E-Motor angetriebene Wringe (zwei Rollen am Maschinenrand) entwässern konnte, einem Vorläufer der Schleuder.

Diese Miele-Waschmaschine von 1912 konnte die Kochwäsche ruffeln und ersetzte die mühselige Arbeit mit dem Waschbrett.
Diese Miele-Waschmaschine von 1912 konnte die Kochwäsche ruffeln und ersetzte die mühselige Arbeit mit dem Waschbrett. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Ebenfalls sehr praktisch waren unterschiedlichste Ausprägungen von Bügeleisen. Dazu gehört ein Reisebügeleisen, dessen Bügelsohle bei Nichtgebrauch einen Pott Tee erwärmen und in seinem Inneren zwei herausnehmbare Lockenstäbe erhitzen kann.

Der Schlipsbügler erzählt aus Zeiten, in denen noch Seidenschlipse getragen wurden

Ebenfalls besonders ist der schwertartige Schlipsbügler aus der Nachkriegszeit. Hergestellt von einer unbekannten Firma – offenbar war das Gerät kein Verkaufsschlager. Es zeugt von Zeiten, in denen Seidenschlipse getragen wurden und nicht, wie heute, bügelfreie Exemplare aus Kunstfasern. Wobei auch deren Zeit allmählich vorbei ist.

Ralf Kauffeld demonstriert einen elektrischen Schlipsbügler der 1950er Jahre.
Ralf Kauffeld demonstriert einen elektrischen Schlipsbügler der 1950er Jahre. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Deutlich älter als der Schlipsbügler sind die im electrum ausgestellten Detektorempfänger aus den 1930er Jahren. „1924 begann der Rundfunk. Radios waren damals teuer, die Detektorempfänger eine preiswerte Alternative“, sagt Manfred Matschke.

Wenn man sich die Kopfhörer aufsetzte, habe es eine passable Tonqualität gegeben. „Doch oftmals wurde zu zweit gehört, jeweils mit einer Muschel am Ohr. Und wenn auch noch die Kinder mithören sollten, wurde der Kopfhörer in eine Kristallschale gelegt, die den Klang reflektierte.“

Margot Niemann hält den Kopfhörer eines Detektorempfängers von 1938/39. Er konnte nur eine Frequenz, also nur einen Sender, empfangen. Für einen anderen Sender musste die Spule gewechselt werden.
Margot Niemann hält den Kopfhörer eines Detektorempfängers von 1938/39. Er konnte nur eine Frequenz, also nur einen Sender, empfangen. Für einen anderen Sender musste die Spule gewechselt werden. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Ein Autoradio aus dem Jahr 1949, für das man vier Monate arbeiten musste

Zehn Jahre später gab es die ersten Autoradios. Ein im electrum ausgestellter Röhrenempfänger von 1949 konnte in eines der beiden Handschuhfächer des VW-Käfers geschoben werden, durch den vorne befindlichen Kofferraum. Das Radio war tragbar und konnte zu Hause oder im Hotelzimmer auch an die Steckdose angeschlossen werden. Das hatte seinen Preis: Es kostete 680 D-Mark, der VW-Käfer 5300 D-Mark.

Ein (herausnehmbares) Autoradio für den VW Käfer. Sein Preis 1949: stolze 680 D-Mark. Der Monatslohn eines Arbeiters betrug 177 D-Mark.
Ein (herausnehmbares) Autoradio für den VW Käfer. Sein Preis 1949: stolze 680 D-Mark. Der Monatslohn eines Arbeiters betrug 177 D-Mark. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Ganz andere Kaliber waren die Orchestrions. Der 1900 gebaute mechanische Musikautomat im electrum funktioniert wie eine überdimensionale Spieluhr ohne Handkurbel. Die Walze, deren Stifte die Töne der einzelnen Instrumente anschlagen, wird seit 1904 mit einem Elektromotor betrieben. Sieben Instrumente sorgen für lautstarke, orchestrale Klänge, die einstmals in Ballsälen und Lokalen Tanz- und Trinklieder abspielten: Klavier, Schlagzither, Kastagnetten, Xylophon, Becken, große und kleine Trommel.

Heiße Klemmen: Dauerwelle mit Risiko

Am Frisiertisch der 1930er Jahre sind Geräte zu entdecken, die heutigen Maßstäben der Haarpflege nicht genügen. Der Fingerföhn, dessen überlange, gelöcherte Metallfinger um den Kopf gelegt wurden, damit aus ihnen ausströmende Warmluft die Haare trocknet, sieht gewöhnungsbedürftig, aber harmlos aus.

Manfred Matschke sitzt an einem Frisiertisch der 1930er Jahre. Links ein Fingerföhn (Vorgänger der Trockenhaube), rechts hält er zwei Klemmen eines Dauerwellengeräts. 
Manfred Matschke sitzt an einem Frisiertisch der 1930er Jahre. Links ein Fingerföhn (Vorgänger der Trockenhaube), rechts hält er zwei Klemmen eines Dauerwellengeräts.  © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Ganz anders das Dauerwellengerät: „Nachdem die Haare mit Chemikalien behandelt wurden, kamen sie auf Lockenwickler. Die heißen Klemmen des Geräts wurden über die Lockenwickler gesteckt. Wenn der Frisör mit einem anderen Kunden klönte und die Klemmen zu lange im Haar blieben, entwickelte sich Rauch, denn die Locken brannten an den scharfen Kanten der Klemmen ab“, sagt Manfred Matschke.

Eine der ersten Hamburger Straßenlaternen befindet sich im electrum

Einige Ausstellungsexemplare schrieben Geschichte. Etwa die Straßenlaterne, die Teil der ersten elektrisch betriebenen Straßenbeleuchtung war. Anno 1882 versammelten sich viele Bürger auf dem heutigen Rathausplatz, um der Premiere der neuartigen Laternen beizuwohnen: Zwölf Lichtbogenlampen erstrahlten in grellem Licht, zwei weitere vor der Börse. Die Hamburger waren beeindruckt, berichtet das Hamburger Fremdenblatt.

Die Lichtbogenlampe aus dem Jahr 1882 ist noch heute betriebsbereit. Sie erhellt sich rauschend und ist heruntergeregelt, damit das Licht nicht zu grell wird.
Die Lichtbogenlampe aus dem Jahr 1882 ist noch heute betriebsbereit. Sie erhellt sich rauschend und ist heruntergeregelt, damit das Licht nicht zu grell wird. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Harburg zeigt Erfindung vom ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer

Licht brachte auch ein beleuchteter Stopfpilz, dessen Erfinder Geschichte schrieb. Allerdings nicht im Bereich Technik: Konrad Adenauer, erster deutscher Bundeskanzler, entwickelte das Gerät für seine Mutter. Sie nähte in Heimarbeit Wachstuchschürzen und musste die Löcher für die Nadel vorbohren. Diese fand sie beim Nähen nur schwer wieder – die Beleuchtung von unten half. Adenauer versuchte, seinen Leuchtpilz zum Patent anzumelden, aber es gab bereits den Gebrauchsmusterschutz eines Schweizer Herstellers auf diese Idee.

Volker Bierschwale hält den elektrisch leuchtenden Stopfpilz in der Hand. Und ein Bild seines Erfinders: Konrad Adenauer, von 1949 bis 1963 Bundeskanzler der jungen Bundesrepublik Deutschland.
Volker Bierschwale hält den elektrisch leuchtenden Stopfpilz in der Hand. Und ein Bild seines Erfinders: Konrad Adenauer, von 1949 bis 1963 Bundeskanzler der jungen Bundesrepublik Deutschland. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Geschätzt 1000 Exponate sind im Museum der Elektrizität an der Unterführung von der Harburger Schloßstraße zur Neuen Straße zu sehen. Obwohl es versteckt liegt, kamen im vergangenen Jahr rund 4000 Besucher. „Wir alle machen das hier nur, weil es uns Spaß macht. Unsere Begeisterung übertragen wir auf die Besucher“, sagt Wilfried Brunkhorst. Das electrum Hamburg hat nur sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet (Eintritt: 4 Euro).