Hamburg. Macht ein Talent uns glücklicher? Warum eine Begabung Segen und Fluch sein kann, steht im neuen Magazin Himmel & Elbe.

Tausende waren auf den Theatervorplatz gekommen, um sich zu verabschieden. Als Jürgen Klopp nach 18 Jahren den Fußballclub Mainz 05 in Richtung Dortmund verließ, hatte er nicht nur alle Wechselbäder der Gefühle durchlebt, die der Fußball einem Spieler und Trainer bereiten kann, sondern vor allem gezeigt, welch großes Trainertalent in ihm steckt. Nicht umsonst gilt er heute, zwölf Jahre später, als einer der besten Trainer der Welt.

Zu diesem Talent gehört es, in unnachahmlicher Weise Stimmungen wahrzunehmen, Situationen genau zu analysieren, vor allem aber die Talente anderer zu entdecken und zu fördern, um sie dann zur gemeinschaftlichen Höchstleistung zu vereinen. Bei dieser Abschiedsfeier in Mainz dankte Klopp den Anwesenden – Fans, Spielern und Funktionären – mit einem Satz, der in einer einzigartigen Prägnanz das zum Ausdruck bringt, was ein Talent ausmacht, seine Ambivalenz, sein „Drama“: „Alles, was ich bin, alles, was ich kann, das habt ihr mich werden lassen.“

Das biblische Gleichnis von den anvertrauten Talenten

Das Können, das mit dem Talent verbunden ist, macht die Identität eines Menschen aus. Aber dieses Talent verdankt er nicht sich selbst, sondern einem anderen. Darin liegt die Größe, aber auch die prekäre Herausforderung des Talents. Denn wie gehe ich damit um, dass ich das, was mich besonders macht, nicht mir allein verdanke? Das ist auch das Thema des Gleichnisses von den anvertrauten Talenten im Matthäus-Evangelium (Mt 25,14–30), in dem ein äußerst wohlhabender Mann sein Vermögen seinen Bediensteten übergibt, damit sie es während seiner reisebedingten Abwesenheit sinnvoll, und das heißt gewinnbringend, einsetzen.

Der eine Diener erhält fünf Talente. Er verdoppelt den Besitz ebenso wie jener, der zwei Talente bekommen hat. Nur der dritte Knecht, der ein Talent überlassen bekam, erwirtschaftet keinen Gewinn, weil er sein Talent ängstlich versteckt und es in der Erde vergräbt. Als der Geldgeber zurückkehrt, lobt er die beiden ersten für ihre Tüchtigkeit und Treue, den dritten hingegen entlässt er, weil dieser sein Talent nicht eingesetzt und vermehrt hat.